Ein erster Ausflug in die parteipolitische Unabhängigkeit

8214 Bürgerinnen und Bürger von 32.647 Stimmberechtigten haben in den elf Gemeinden des Pustertal ihre Lust und Freude daran gehabt, gegen alle Miesmacherei der politischen Obrigkeit selbst zu sagen, welche Verkehrspolitik sie sich für ihr Tal erwarten. Über hundert Menschen im Tal haben ihnen dazu die Gelegenheit geboten.

Das ist eine demokratiepolitische Aktion, wie sie Südtirol noch nicht gekannt hat. Sie verringert die Last der patriarchalen und autoritären politischen Tradition in Südtirol um einiges.

Misst man die selbstverwaltete Volksbefragung mit den Erwartungen an ein reguläres Referendum, dann ist die Beteiligung daran sicher niedrig. Sieht man sie als das, was sie ist, nämlich als selbstverwaltete Volksbefragung ohne rechtliche Grundlage, die deshalb keine Garantie bietet auf konkrete Auswirkungen, dann ist diese Beteiligung ein nicht zu unterschätzendes Signal. Dass sie nur eine simulierte Volksbefragung war, ist nicht den engagierten Bürgerinnen und Bürgern anzulasten, sondern denen, die ihnen dieses Instrument seit Jahren vorenthalten. Hätte es dafür eine gültige Rechtsgrundlage gegeben, dann hätten wir jetzt, was die Mächtigen im Lande eben nicht wollen und bislang zu verhindern wissen: für sie verpflichtende und bindende Volksabstimmungen!

Nicht weniger als ein Viertel der Stimmberechtigten haben es für Wert befunden, sich eingehend mit der Frage der Verkehrszukunft im Pustertal zu befassen, haben sich dazu eine klare Meinung gebildet, haben Lust gehabt, ihren Willen zu bekunden und ein direktdemokratisches Instrument auszuprobieren, das allen ganz neu ist. Trotz aller Entmutigung, den Sinn- und Nutzlosigkeitsbekundungen der politischen Machthaber im Land. Und die 75%, die nicht zur Abstimmung gegangen sind, machen die Erfahrung, dass jetzt ein klarer öffentlicher Wille im Raum steht, in dem sie nicht vorkommen. Das nächste Mal werden, auch aus dieser Erfahrung heraus, mehr mitmachen.

Die Beteiligung an der Pusterer Volksbefragung lässt zwar erkennen, dass dieses Instrument neu und ungewohnt ist. Dennoch ist sie hoch genug, um als deutlicher Ausdruck für den Mitbestimmungswillen der Bevölkerung gewertet werden zu können. Der Landtag wäre gut beraten, dieses Bedürfnis nach direkter politischer Mitgestaltung nicht durch ein restriktives Gesetz zur Direkten Demokratie, wie es die SVP vorgelegt hat, zu frustrieren. Erkennt man deren besonderen Wert, dann wird man die Menschen mit entgegenkommenden Regeln darin fördern und unterstützen. Dafür hat der Volksbegehrensgesetzentwurf den Weg gewiesen. Der nächste Ausflug kommt bestimmt und wird weiter in die aufregende Landschaft der freien politischen Mitbestimmung hinaus führen.

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