Wir veröffentlichen hier die Antworten auf die Fragen zur Direkten Demokratie, mit denen sich die Plattform "Südtiroler Frühling" an Stephan Lausch von der Initiative für mehr Demokratie gewandt hat. 

FRAGE #11

SF: Wie stellen sie sich vor, falls man es schafft die DD einzuführen, dass die DD nicht zu oft beansprucht wird , auch bei nicht so wichtigen Themen und so die Kosten der Referenden/Volksinitiativen explodieren? Auch weil bestimmte „Randthemen“ die breite Öffentlichkeit auch nicht interessieren?

SL: Ich finde, dass man sich von Politikern, die von direkter Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger nichts wissen wollen, hat einreden lassen, dass diese eigentlich zu teuer ist und meine dagegen, dass jede Volksabstimmung ein äußerst wertvoller Prozess für die Bevölkerung ist, ja, ein Weiterbildungsprojekt ersten Grades und das etwas kosten darf.

Wenn Volksabstimmungen heute relativ teuer sind, dann deshalb, weil der ganze Ablauf schlecht und nur als Ausnahmefall geregelt ist. Ich muss wieder auf die Schweiz verweisen, wo Volksabstimmungen ganz selbstverständlich zur Politik dazu gehören, und diese deshalb pro Abstimmung jeden Stimmbürger nicht mehr als einen Kaffee kosten. Man stelle sich vor, man hätte eine wirksam und gut anwendbar geregelte Mitbestimmungmöglichkeit und die Bürgerinnen und Bürger würden sie nicht nutzen. Das wäre entweder ein Zeichen dafür, dass die politische Vertretung ihre Aufgabe zur Zufriedenheit der Bevölkerung erfüllt oder für völlig apathische Bürgerinnen und Bürger. Wenn der Bedarf oder die Notwendigkeit besteht, ist es gut, wenn Volksabstimmungen stattfinden. Eine Abstimmung zu erwirken ist ja keine zu unterschätzende Arbeit:

Es muss sich eine Gruppe von Menschen zusammenfinden, die sich, wie ein Verein, eine Aufgabe gibt und sich Ziele setzt. Diese Menschen müssen in einem bestimmten Bereich eine spezifische Kompetenz ausbilden und zwar so weit, dass sie mit ihren Vorschlägen MitbürgerInnen von ihrem Anliegen überzeugen können.

Wenn es nach der Initiative für mehr Demokratie ginge, dann müssten für einen Vorschlag, über den in einer Volksabstimmung alle StimmbürgerInnen entscheiden, 10.000 Unterschriften gesammelt werden. Das ist keine Kleinigkeit. Für ein heute so weit in der Bevölkerung verbreitetes Anliegen wie der Direkten Demokratie können wir, nach 20jähriger (!) Tätigkeit ohne Schwierigkeiten 20.000 Unterschriften sammeln, aber als wir 1995 das erste Mal damit aufgetreten sind, das Thema also neu war und, wenn Sie so wollen, noch ein „Randthema“, da haben wir in der Region gerade einmal 4.600 Unterschriiften gesammelt. Das ist die Situation so gut wie jedes neuen Vorschlags.

Direkte Demokratie ist ein Instrument für Minderheiten und soll für diese gut brauchbar sein. Sie sollen in der Demokratie ein Recht haben, die gesamte Gesellschaft mit ihrer Sichtweise, ihren Überzeugungen, mit ihren Warnungen zu konfrontieren. Die Gesellschaft besteht aus vielen Minderheiten, die alle ihre spezifische Kompetenz und Erfahrung haben, die für die gesamte Gesellschaft wichtig sind.
Anders hingegen beim Referendum, wo darüber abgestimmt werden soll, ob etwas, das von der politischen Vertretung beschlossen worden ist, rechtskräftig werden soll. Dieses wird nur zu etwas Umstrittenen ergriffen, weshalb 7.500 Unterschriften, wie wir sie vorschlagen, in der Regel gut zu erreichen sein werden. Wenn BürgerInnen meinen, dass da etwas beschlossen worden ist, was eine Mehrheit gar nicht will, dann soll es für sie nicht unnötig schwierig sein, das feststellen zu können.

Anders als bei der Volksinitiative, bei welcher der ganze Prozess, der der Volksabstimmung vorangeht, wertvoll ist und unabhängig vom Ausgang etwas bewirkt, wird niemand ein Referendum ergreifen, wenn er im Vorhinein sicher ist, dass er es verlieren wird. Folglich: viele Referenden wird es nur geben, wenn die politische Vertretung ganz offensichtlich eine Politik gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung betreibt und in diesem Fall ist es gut, wenn sich die Bevölkerung dagegen wehren kann. Viele Volksinitiativen wiederum können ein Zeichen für eine Politik der politischen Vertretung sein, die die Erwartungen und Erfordernisse in der Bevölkerung nicht genügend wahrnimmt oder aber einfach auch ein Zeichen für eine lebendige, kreative, entwicklungsfreudige Gesellschaft, die sich mit ihrer Wirklichkeit auseinandersetzt.

 

FRAGE #12

SF: Politiker wollen wiedergewählt werden: kann man davon ausgehen, dass sie somit auch die langfristigen Interessen einer breiteren Bevölkerung im Auge haben?

SL: Das ist das theoretisch idealistische Konzept, mit dem man das parlamentarische System gegenüber dem Anspruch auf eine Politik im Interesse der BürgerInnen einleuchtend erscheinen lassen will.

Die Realität ist eine ganz andere. Natürlich wollen Politiker wiedergewählt werden, vor allem dort, wo es lukrativ ist, Politiker zu sein, und gerade dort ist die Politik meistens so undurchsichtig, dass der Wähler/die Wählerin sich mit einem Urteil schwer tut und dafür gesorgt ist, dass diese kaum oder gar keinen Einfluss haben auf die Wahl des/der Kandidaten/in. Ihre Wahl und Wiederwahl hängt im herrschenden System zuallererst von der Partei ab, die sie auf ihre Liste und auf einen bestimmten Listenplatz setzt und dann wohl weniger davon, was er/sie im einzelnen tut, denn das ist von außen kaum wahrnehmbar, sondern, wie er/sie auftritt.

Das hat zur Folge, dass Fähigkeiten wie Sprachbegabung, Durchsetzungsvermögen im Disput, aber auch das Vertreten von Interessen einer starken Klientel und Botmäßigkeit gegenüber den starken Interessen in einer Partei ausschlaggebend sind für eine Wiederwahl. Die Degenerierung von Politik zur Inszenierung und zum Spektakel ist vorprogrammiert. Schon eine Änderung des Wahlgesetzes dergestalt, dass nicht nur Listen/Parteien gewählt werden können, sondern KandidatInnen verschiedener Listen und verbunden damit, dass die Sitzzuteilung an die Parteien nicht aufgrund von Listenstimmen, sondern der Stimmen erfolgt, die die KandidatInnen einer jeweiligen Partei erhalten, würde wahrscheinlich schon viel zum Besseren wenden. Eine Verpflichtung der Gewählten bestünde nicht mehr so sehr der eigenen Partei, sondern dem Wähler/der Wählerin gegenüber.

 

FRAGE #01 http://www.dirdemdi.org/index.php/de/577-14-fragen-zur-dd-an-stephan-lausch-01

FRAGE #02 http://www.dirdemdi.org/index.php/de/605-14-fragen-zur-dd-an-stephan-lausch-2

FRAGE #03, #04 http://www.dirdemdi.org/index.php/de/606-14-fragen-zur-dd-an-stephan-lausch-3

FRAGE #05, #06 http://www.dirdemdi.org/index.php/de/607-14-fragen-zur-dd-an-stephan-lausch-4

FRAGE #07, #08 http://www.dirdemdi.org/index.php/de/608-14-fragen-zur-dd-an-stephan-lausch-5

FRAGE #09, #10 http://www.dirdemdi.org/index.php/de/609-14-fragen-zur-dd-an-stephan-lausch-6

FRAGE #11, #12 http://www.dirdemdi.org/index.php/de/610-14-fragen-zur-dd-an-stephan-lausch-7

FRAGE #13, #14 http://www.dirdemdi.org/index.php/de/611-14-fragen-zur-dd-an-stephan-lausch-8

 

Dieses Portal verwendet Cookies zur Optimierung der Browserfunktion.Wenn Sie mehr über die von uns verwendeten Cookies und deren Löschung erfahren möchten, ziehen Sie bitte unsere Datenschutzbestimmung zu Rate.Datenschutzbestimmung.

  Ich akzeptiere die Cookies von dieser Seite.
EU Cookie Directive Module Information