DAS TOBLACHER DEMOKRATIE-MANIFEST 2023

DIE DEMOKRATIE, DIE WIR WOLLEN!

 

Wir wollen heute gut leben – und in Zukunft. Dafür brauchen wir die Demokratie.
Eine Demokratie, mit der wir
alle gemeinsam für ein gutes Klima unter uns Menschen und in der Natur sorgen können. Bleibt es bei der bestehenden, unvollständigen Demokratie, dann drohen autoritäre Verhältnisse.

Wir wollen eine Demokratie, in der natürliche Vielfalt und menschliche Verschiedenheit zu den höchsten Werten zählt. Nur in Vielfalt und Verschiedenheit findet sich ein gemeinsamer Weg für ein gutes Leben für alle Menschen und alles Lebendige auf dieser Welt. Die bestehende Demokratie bedient die Interessen weniger und bewirkt eine Verarmung der Menschen und der Natur.

Wir wollen eine Demokratie, in der weder eine Minderheit eine Mehrheit beherrscht, noch eine Mehrheit eine Minderheit. Die Vielzahl der Minderheiten, die wir sind und zu denen wir gehören, soll die Möglichkeit haben und lernen können, sich fortwährend aufeinander abzustimmen. Wie Musiker eines Orchesters, die ihre Instrumente aufeinander abstimmen. Das ist keine Utopie! Die ausgelosten Bürgerräte machen im Kleinen vor, was für die Gesellschaft im Großen anzustreben ist. Wir wollen eine Demokratie, die nie aufgibt, die Menschen einzubeziehen. Die bestehende hingegen schließt aus.

Wir wollen eine Demokratie, in der die Bürgerinnen und Bürger das erste und das letzte Wort haben sollen. Sie müssen jederzeit Ideen und Vorschläge einbringen und Politik korrigieren können. Nur so und nur mit einer gut anwendbaren und wirksamen direkten Demokratie sind sie der Souverän. Die richtigen Wege finden wir nur gemeinsam und im Einverständnis mit allen und für alle.

Wir wollen eine Konkordanzdemokratie anstelle einer Konkurrenzdemokratie. Wir wollen die Arbeit an der Sache und nicht für den eigenen Machterhalt. Nur so kann das Klima der Natur für uns wieder ein gutes werden. Soziales Ungleichgewicht schafft ökologisches Ungleichgewicht und umgekehrt. Wir erleben, dass Ungerechtigkeit und Ungleichheit zwischen Menschen als Fortschrittsmotor ein Schritt ins Leere ist.

Menschen tragen die Idee der Demokratie in ihrer Sehnsucht nach Freiheit. Sie sind immer wieder um sie betrogen worden, um die Herrschaft von wenigen zu sichern. Damit hat sich die Entscheidung zwischen echter und unechter Demokratie zugespitzt.

Mit der Würde des Menschen ist es unvereinbar, gezwungen zu sein, seinen Willen delegie­ren zu müssen. Zur Würde des Menschen gehört, dass alle gleichermaßen an der gemeinsa­men Sache teilhaben und ihre Souveränität konkret und praktisch ausüben können. Wir berufen uns auf die PRÄAMBEL der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet, ... hat jeder das Recht, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegen­heiten seines Landes unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter mitzuwirken.“ Art. 21

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Politische Teilhabe muss auf vier Wegen gleichzeitig stattfinden: auf dem indirekt demo­kratisch parlamentarischen, dem direkt demokratischen, dem partizipativen und dem digital konsultativen Weg.

(I) Der Großteil der Entscheidungen wird immer von gewählten Vertretern zu treffen sein. Das bedeutet keinen Vorrang der parlamentarischen Demokratie: Die Verantwortung muss bei allen bleiben. Deshalb ist deren besondere Kontrolle und deren wirksame Ergänzung mit Direkter Demokratie notwendig. Die Regeln dazu müssen von der Mehrheit der WählerInnen geteilt werden. Deshalb müssen alle Gesetze, die die Demokratie regeln, entweder auf Initiative der BürgerInnen entstehen und beschlossen werden, oder sie müssen, wenn sie von den Gewähl­ten beschlossen werden, obligatorisch dem Referendum unterworfen werden.

Die Regeln zur Wahl müssen die parteiungebundene, listenübergreifende Wahl von Kandidaten möglich machen. Dazu gehört die Kandidatennominierung durch die BürgerInnen selbst. Notwen­dig ist die Ausübung des Mandates nach freiem Wissen und Gewissen ohne jede Privilegien, eine strikte Mandatsbegrenzung und eine strenge und durchgängige Gewaltenteilung. Für die Entloh­nung der Gewählten soll ein Verfahren gefunden werden, das ein Mandat nicht zum Selbstbedie­nungsladen macht. Regierungen müssen einen Großteil der BürgerInnen vertreten und unabhän­gig sein von Parlamentsmehrheiten. Wahlen müssen für alle zugänglich gemacht werden durch die Briefwahl mit Zusendung der Information über den Wahlmodus und in ausgewogener Form über die Parteien und Kandidierenden.

(II) Mit gut anwendbaren und wirksamen Regeln zur Direkten Demokratie müssen die Entscheidungen der Gewählten mit dem Referendum auf einfache und wirksame Weise jederzeit von den BürgerInnen kontrolliert und nötigenfalls rückgängig gemacht werden können. Ebenso müssen sie jederzeit selbst und nach von ihnen selbstbestimmten Regeln auf jeder Ebene und entsprechend ihrer Zuständigkeit mit der Volksinitiative über alle Sachfragen entscheiden können, über die die Vertretung entscheidet. Bürger und Bürgerinnen und politische Vertretung haben gleichberechtigte Entscheidungsbefugnis: Volksabstimmungen werden mit gleich viel Unterstützung erwirkt wie ein Mandat und kennen genauso wenig wie Wahlen ein Quorum.

(III) Es braucht partizipative Verfahren, die die Wege der parlamentarischen und der direkten Demokratie begleiten. Sie bieten die Orte, an und Zeiten, zu denen es möglich ist, Sachfragen in der ganzen Breite ihrer Wirksamkeit und Relevanz deutlich werden zu lassen und sie in der Tiefe ihrer Bedeutung auszuloten. Zur Beteiligung sind BürgerInnen durch direkte Betroffenheit oder durch die Verantwortung, zufällig ausgewählt zu sein, motiviert, um für die gesamte Gemeinschaft eine Problematik zu bearbeiten und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Diese müssen direktdemokratisch oder parlamentarisch entschieden werden können.

(IV) Digitale Online-Plattformen machen eine breite Konsultation der Bürgerinnen und Bürger möglich. Über sie werden politische Vorhaben angestoßen und geprüft, wird der politische Bedarf deutlich, über sie können Bürgerinnen und Bürger sich informieren, verständigen und abstimmen, ohne aber politische Entscheidungen zu treffen. Mit ihnen können Bürgervorschläge, Debatten, Bürgerhaushalte, kollaborative Gesetzesentwurfsverfahren, Interviews, Umfragen, Abstimmungen, u.v.m. in kürzester Zeit organisiert werden.

Werden diese Wege gleichberechtigt begangen, dann verwirklicht sich die Zusammenarbeit aller von selbst. Verschiedene Positionen werden sich ergänzen und nicht ausschließen.

Das Herz der Demokratie ist der öffentliche Diskursraum. In ihm müssen transparente Informa­tionen fließen, der offene Austausch von Meinungen in verschiedenen Formen gefördert werden. Die Menschen erleben sich in ihm als der Pulsschlag der Demokratie und die Abstimmung aufeinander als notwendige Selbstverständlichkeit. Dieser öffentliche, lebendige und atmende Raum des Austausches und der Abstimmung wird so wieder lebendig. Er wird befreit vom Würgegriff der Interessen von wenigen auf Kosten der Bedürfnisse von vielen. Vor allem kann damit deren fortgesetzte Ausbeutung der Natur verhindert werden, auf deren lebendige Kreisläufe und auf deren Gleichgewicht wir alle bedingungslos angewiesen sind.

Wir könnten es so schön haben, wenn wir alle zusammen zu entscheiden hätten,
was wir wollen
und brauchen.

2. September 2023

 

Das Toblacher Demokratie-Manifest ist das Ergebnis einer dreißigjährigen Auseinandersetzung der Initiative für mehr Demokratie mit dem Thema Demokratie und in einem intensiven Beteiligungsverfahren mit Climate Action und in wiederholter gemeinsamer Bearbeitung zwischen Mai und September 2023 entstanden - unter dem Druck einer ausbleibenden überzeugenden Antwort auf die nunmehr offensichtlich stattfindende Klimakatastrophe und der damit verbundenen Gefährdung der Demokratie.

 

Pressemitteilung zum Internationalen Tag der Demokratie

Proklamation des Toblacher – Demokratie – Manifestes

am 15. September 2023, dem Internationalen Tag der Demokratie
und
am Tag des Globalen Klimastreiks

Wir erleben eine Entwicklung zu unwirtlich werdenden natürlichen Lebensbedingungen und eine Zuspitzung der sozio-ökonomischen Verhältnisse weltweit. Das geschieht vielfach unter politischen Verhältnissen, die als demokratisch bezeichnet werden und die zunehmend erodieren und ausgehöhlt werden. Diese Infragestellung demokratischer Formen der Entscheidungsfindung macht die Schwächen eines politischen Systems deutlich, das nur formell, nicht aber inhaltlich und im eigentlichen Sinne des Wortes als Demokratie bezeichnet werden kann und von denen sich immer mehr Menschen verabschieden. Ein gutes natürliches und gesellschaftliches Klima verlangt eine inhaltlich gefestigte und vollständig ausgestaltete Demokratie, mit der alle Mitglieder der Gesellschaft ihre Zuständigkeit und Verantwortung dafür wahrnehmen können.

Die wahrnehmbare Zuspitzung und Verschärfung der Verhältnisse hat Menschen der Demokratie- und der Klimabewegung in Südtirol dazu gedrängt, gemeinsam eine Demokratie zu skizzieren, die diese Aufgabe erfüllen kann. Am 6. Mai wurde damit in einer Klausur in Toblach begonnen. Das Ergebnis ist ein für die weitere Bearbeitung offenes, elfseitiges Dokument (LINK), das Grundlage ist für das heute, am 15. September 2023, dem Internationalen Tag der Demokratie und am Tag des Globalen Klimastreiks, proklamierten Manifestes (LINK). Es will deutlich machen, dass wir, um die bestmöglichen politischen Entscheidungen für alle treffen zu können, zuallererst eine vervollständigte Demokratie brauchen, in der die parlamentarische Form gleichwertig mit der direktdemokratischen, partizipativen und digital-konsultativen zusammenwirken muss und damit die Zusammenarbeit aller auf gleicher Augenhöhe stattfinden kann.

Das Manifest ist ein dringender Aufruf an die wahlberechtigte Bevölkerung in unserem Land, bei der Wahlentscheidung der kommenden Landtagswahlen am 22. Oktober, der Frage, welche Demokratie wir wollen, den obersten Stellenwert beizumessen. Ein Aufruf vor allem auch, jede demokratisch gegebene Möglichkeit zu nutzen, um Demokratie weiter auszubauen – also auch wählen zu gehen.

Die Veranstaltung „Die Demokratie, die wir wollen!“ am 20. September (Link) im Pastoralzentrum Bozen, ist Gelegenheit, eine Vorstellung zu bekommen von dieser wünschenswerten Demokratie und anhand deren dort vorgestellten real existierenden Formen die Zuversicht zu gewinnen, dass sie Wirklichkeit werden kann.

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