„Hier müssen wir noch sehr viel von der Schweiz lernen ...“
LH Arno Kompatscher


referendum_gerettet_2022_kl.jpgIn der Tat: von einem sachlichen, selbstverständlichen und respektvollen Umgang mit so wertvollen Momenten, in denen das Volk entscheidet, sind wir weit entfernt. Diese Momente wären Sternstunden der Demokratie, wenn Demokratie Volksregierung bedeuten soll und man hier erfahren kann, wie die Menschen wichtige Fragen entschieden haben wollen.
Wenn jemand noch nicht reif ist für diese Demokratie in unserem Land, dann sind es die regierende Mehrheit und die Medien, die sie decken. Täuschung und Irreführung waren bei diesem Referendum, wie bisher, wieder bestimmend. Wen wundert es, dass nur ein knappes Viertel der Stimmberechtigten dem Verwirrspiel widerstanden hat. Um so mehr muss uns mit diesem Referendum wieder bewusst geworden sein, dass wir BürgerInnen Instrumente haben, mit denen wir zwischen den Wahlen entscheidenden Einfluss ausüben können auf die Gestaltung der Zukunft in unserm Land.

71.000 BürgerInnen haben jetzt, auf Initiative von ein paar wenigen Menschen,
die Grundlage gelegt für eine
positive Weiterentwicklung der Demokratie in Südtirol.

Mit einem Sieg des Ja wären, von der regierenden Mehrheit gewollte, demokratieschädigende Normen bestätigt worden,
mit dem klaren NEIN gibt es jetzt keinen Fall zurück hinter das Erreichte.


Wir erwarten uns von diesen Regierungsparteien nicht im Geringsten eine Änderung ihrer Haltung zur Direkten Demokratie. Mit Täuschung zu arbeiten, ist ihnen eingeschrieben. Ihr Politikverständnis ist vom Willen zu totalitärem Machterhalt und zu rücksichtsloser Durchsetzung von Partikularinteressen bestimmt, denen das Einspruchsrecht der BürgerInnen ein Dorn im Auge ist. Deutlicher hätte es der Erstunterzeichner, Josef Noggler, des jetzt vom Volk abgelehnten Gesetzes nicht sagen können: “Wir lassen uns (mit dem Referendum) nicht erpressen!“ Der Rekurs auf den Volkswillen ist für die SVP Erpressung, die Aufforderung zur Verhandlung und Konsenssuche eine Infragestellung ihrer Machthoheit.

Das Ganze ist ein mühsamer Lernprozess, für alle: herauszufinden aus Machtkämpfen, aus der Logik der Macht des Stärkeren, zu einer Politik der Suche nach breitestmöglichem Konsens.
Beinahe der halbe Landtag scheint bereit zu sein, ein solches Politikverständnis wirklich werden zu lassen. Die Initiative für mehr Demokratie wird weiterhin alles daran setzen, dass dieses mehrheitsfähig und -bestimmend wird.

Video Glückwunschbotschaft von Ralf-Uwe Beck, Sprecher unserer großen Schwesterorganisation in Deutschland

p.s.: Ein Modell des Referendums, wie es in der Schweiz gelte, lässt der SVP-Obmann jetzt wissen, könne er sich auch für Südtirol vorstellen. Ob er weiß, wovon er spricht? Genau das hatten wir vorgeschlagen, als das Gesetz von 2018 über einen partizipativen Prozess im Entstehen war. Das würde bedeuten, dass alle Landesgesetze 100 Tage außer Kraft bleiben, außer jene, die von zwei Drittel des Landtages mit eigener Dringlichkeitsklausel beschlossen worden sind – zu denen für ein Referendum aber gleich nach dem Inkrafttreten die Unterschriftensammlung beginnen kann. Innerhalb dieser Zeit könnten 4.200 (!) BürgerInnen (jetzt sind es 13.000!) mit einer Unterschriftensammlung, ohne (!) Beglaubigung, aber mit einer Überprüfung der Unterschriften auf der Gemeinde, ein Referendum erwirken.

„Nicht an ihren Worten, an ihren Taten sollt ihr sie messen.“
Was die regierende Mehrheit und die Medien, die sie decken, noch alles zu lernen haben.

Dass die SVP und die Medien, die sie decken, noch nichts gelernt haben von der Schweiz, hat diese Volksabstimmung geprägt.

  1. Eine solche Volksabstimmung hätte es in der Schweiz nie und nimmer gegeben. Dort weiß die politische Vertretung, dass die BürgerInnen nicht an ihren Mitbestimmungsrechten rütteln lassen und dass heillos scheitert, wer es dennoch versucht. Wir haben die SVP vor der Entscheidung über ihr Beschneidungsgesetz im vergangenen Jahr wiederholt gewarnt. Wir haben ihr ein Debakel vorhergesagt. Sie hat die Warnung ignoriert. So notwendig dieses Referendum war, allerunnötigst war sein Grund.

  2. Zu lernen ist, dass man das Volk nicht ungestraft betrügen, täuschen und in die Irre führen darf. Aussagen der SVP-Spitze wie: „Mit einem Ja unterstützen Sie das Projekt der Direkten Demokratie“, ein „JA ist ein klares Bekenntnis zur Direkten Demokratie“, „das im vergangenen Jahr verabschiedete Gesetz sei notwendig, um die Direkte Demokratie endlich anwendbar zu machen“ usw. sind vorsätzliche Täuschung der BürgerInnen angesichts der Tatsache, dass das direktdemokratische Instrument par excellence abgeschafft werden sollte. Wer sich durch solche Aussagen nicht mehr auskennt, geht nicht abstimmen.

  3. Zu lernen ist, dass der Wille des Volkes zu akzeptieren und umzusetzen ist. Dem entgegen hat der Landeshauptmann sogar schon vor dem Ergebnis der Abstimmung die Menschen mit der Aussage zu enttäuschen versucht, dass man unabhängig davon die Abschaffung des Referendums weiter verfolgen werde, weil es verfassungswidrig sei.

  4. Zu lernen ist, dass das Referendum, das stärkste, wichtigste und älteste direktdemokratische Instrument ist, das Veto-Recht, das Kontrollrecht der BürgerInnen und nicht eines von vielen und nur ein Blockadeinstrument mit „Erpressungspotential“. Ein solches ist es nur vor dem Hintergrund der Unfähigkeit der Regierungsparteien zur Zusammenarbeit und ihrer Absicht, uneingeschränkt zu herrschen. Ja, das Referendum zwingt zur Zusammenarbeit und sie ist das einzige, was uns in der heillos verfahrenen Situation noch helfen kann.

  5. Zu lernen ist, dass fair, gleichberechtigt, sachlich und ausreichend zu informieren ist. Das hat z.B. der Landeshauptmann verhindert, indem er die nationalen Kontrollinstanzen nicht über das Referendum informiert hat, und somit nicht die Bestimmungen für eine gleichberechtigte und hinreichende Information durch die Medien erlassen worden sind. Er selbst hat, aus unserer Sicht das par- conditio-Gesetz verletzend, öffentlich für seine persönliche Position und die seiner Partei geworben. Die Aussagen der SVP waren in den maßgeblichen Medien an prominentester Stelle zu finden, die Aussagen der Promotoren konnte man vergeblich oder unter ferner liefen suchen. Bestimmte Medien werden lernen müssen, dass sie mit einseitiger Information immer wieder nur für eine Minderheit sprechen, obwohl sie alle BürgerInnen korrekt informieren sollten. Sie werden mit Millionen Euro von allen Steuerzahlern finanziert! In der Schweiz ist ein besonderer Informationspluralismus durch die Direkte Demokratie entstanden, weil man mit ihr im Vorhinein nie weiß, welche Position mehrheitsfähig ist.

  6. Zu lernen ist, dass man Andersdenkende nicht austrickst, sondern sie ernst nimmt und mit ihnen das Gespräch sucht. „Man sei immer offen für den Dialog“ weiß der Landeshauptmann zu sagen. Wir haben immer wieder das Gespräch mit ihm gesucht, vergebens! Das Austricksen ist so weit gegangen, dass der Antrag des Promotorenkomitees für das Referendum wegen eines Formfehlers der Landtagsverwaltung von der Kommission der Landesregierung, ohne eine entsprechende Gesetzesgrundlage und nach abgeschlossener Unterschriftensammlung abgelehnt worden ist. Der Landeshauptmann, an den wir uns gewandt haben, hätte korrekterweise intervenieren können. Man hat hingegen auf den Gerichtsweg verwiesen und damit das unliebsame Promotorenkomitee von der Bildfläche verschwinden lassen.

 
 
 
 
 

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